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In den letzten Monaten wurde in Österreich die Sozialpartnerschaft wiederholt als Zwangssystem bezeichnet; ihre Finanzierung erfolgt durch den Staat. Auch das entspricht einem neoliberalen Denken. Denn der Markt wird hier in Kontrast zu dem Staat gestellt. Die beliebte Scheinfrage lautet: Wollen Sie mehr Markt oder mehr Staat? Dabei wird im neoliberalen Glauben der Staat als Zwang gedacht; wer hingegen auf dem Markt agiert, macht dies immer freiwillig. Der Markt sei ein Hort der Freiheit. Gewerkschaften sind aber keine freiwilligen Zusammenschlüsse, sondern Organisationen, die gegen den Markt gerichtet sind.
 
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09/ 2022 Ukraine Heimat aller Ukrainer

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   Die Ukraine ist die Heimat vieler Menschen, denen ihre Heimat von interessierten Kräften mehr und mehr streitig gemacht wird

 

Wäre die Ukraine ein würdiges Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft? Die Antworten könnten zweierlei ausfallen: Ja, betrachtet man die Werte des Westens genauer, im Grunde führen die Regierenden in Kiew sich gerade so oder so ähnlich wie ihre westlichen Amtskollegen auf: agressiv, elitär, reaktionär. Nein, setzt man wirklich humanistische Werte voraus, denn die Ukraine eint und fördert zum Beispiel die eigene Gesamt-Bevölkerung nicht, sie grenzt stattdessen Teile aus, die Russen oder die Ungarn. Letzteres Drama der ungarischen Minderheit wird gerade nicht ans Tageslicht befördert – nicht auf Sicherheitskonferenzen, Pressekonferenzen und in Talkshows. Und nun will der Staatschef „solche Landsleute“ von Ämtern fernhalten. Von Frank Blenz

 

In Nachrichtensendungen ist über das Drama der Ungarn-Ukrainer so gut wie nichts zu hören und zu sehen, auf Pressekonferenzen wichtiger Politiker nichts zu vernehmen, allein wenn man einfachen Menschen zuhört, erhält man Informationen. Ein Bekannter von mir, der Menschen aus Ungarn und aus der Ukraine verwandschaftlich verbunden ist, erzählte mir jüngst mit einiger Wut und Verzweiflung im Bauch: „Meine Verwandtschaft hat Angst. Sie erlebt seit ein paar Jahren, dass sie in ihrem Land, die Ukraine, zunehmend ausgegrenzt und diskriminiert wird. Das hat sich seit 2020 noch verstärkt. Sie, Ungarn-Ukrainer, werden schlechter behandelt, nur weil sie keine richtigen Ukrainer sind. Ihnen wird die ungarische Sprache geradezu verboten, ihnen wird die Kultur streitig gemacht, sie dürfen in Ämtern, in Schulen, im öffentlichen Leben, wenn es nach den Machthabern geht, am Besten nur noch Ukrainisch sprechen und schreiben. Dabei sind sie ja auch Ukrainer, die, wie es ganz normal und lange Zeit gewachsen ist, eben ihre Besonderheiten, die ungarischen einbringen ins Leben des ganzen Landes. Sie reden Ukrainisch, sie reden Ungarisch. Letzteres soll Geschichte sein?“ So wie es den Russen gehe, die seit 2014 so im Visier der Nationalisten sind, gehe es nun auch den Ungarn, berichtet er, als wäre das der große Plan, Minderheiten zurückzudrängen.

 

Der Hintergrund dieses behördlichen, nationalistischen Handelns nahm vor wenigen Jahren konkrete Formen an. 2017 wird in der Ukraine ein Bildungsgesetz beschlossen, welches die Unterrichtssprache der ungarischen Minderheit zum Ziel hat. Gern wird in der Ukraine von offizieller Seite über gesellschaftliches Bewusstsein und von einer „Weiterentwicklung eines souveränen Staates“ geredet, allein die Menschen bleiben auf der Strecke, weil sie dem Nationalstaat, der Einheit, kurz dem Nationalismuswahn im Weg sind. Doch der Protest aus Budapest folgt, die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Ungarn und der Ukraine sind darum belastet, mindestens aus ukrainischer Warte – bis heute.

In einer Betrachtung der Deutschen Bundeszentrale für politische Bildung heißt es:

Der Konflikt begann formal, nachdem die Werchowna Rada am 5. September 2017 ein neues Bildungsgesetz verabschiedet hatte, das den Beginn einer umfassenden Bildungsreform in der Ukraine markierte. In Paragraph 7 dieses Gesetzes ist festgeschrieben, dass "die Sprache des Bildungsprozesses in den Lehranstalten die Staatssprache" ist, also das Ukrainische. Gleichzeitig behalten die ethnischen Minderheiten das Recht, bis zur vierten Klasse komplett in der Muttersprache unterrichtet zu werden, und von der 5. bis zur 11. Klasse in einzelnen Fächern auf Englisch oder einer der offiziellen Sprachen der EU, zu denen auch das Ungarische zählt. In einem neuen Gesetz über die Sekundarbildung, das im Januar 2020 verabschiedet wurde, sind die Zeiträume genauer gefasst worden: Bis zur vierten Klasse sollen Kinder ethnischer Minderheiten obligatorisch das Ukrainische erlernen, doch können alle anderen Fächer in der Muttersprache unterrichtet werden. In der 5. Klasse soll der Anteil des ukrainischsprachigen Unterrichts mindestens 20 Prozent betragen und sich bis zur 9. Klasse auf 40 Prozent erhöhen. In den höheren Klassen (den Klassen 10 und 11) soll der Unterricht zu 60 Prozent in ukrainischer Sprache erfolgen.

Auch die Venedig-Kommission des Europarats konnte den Streit nicht lösen. Diese hatte der Ukraine empfohlen, den Paragraphen 7 des Gesetzes hinsichtlich der ethnischen Minderheiten äußerst flexibel zu handhaben, die privaten Schulen auszunehmen und die Übergangszeit von 3 auf 5 Jahre bis 2022 zu verlängern. Kyjiw hat diese zwei Gesetzesänderungen im April 2019 durch das neue Sprachengesetz (hinsichtlich der Übergangszeit) und durch das Gesetz über die Sekundarbildung (hinsichtlich der privaten Schulen) im Februar 2020 verabschiedet. Offensichtlich hat das aber die Lage nicht verändert.

 

Die Lage ist verfahren, die Ungarn empfinden dieses Gesetz anmaßend, es sei eine Assimilierung der ungarischen Minderheit, der Raub ihrer Identität vorgesehen, so der Verdacht. Dem nicht genug (Deutsche Bundeszentrale für politische Bildung):

 

...Die Ursache der ukrainisch-ungarischen Krise ist nicht allein auf die Sprachenfrage beschränkt, … sondern gegenwärtig sehr viele und höchst sensible Fragen der bilateralen Beziehungen umfasst: die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft und der Vergabe von ungarischen Pässen an ethnische Ungarn in der Ukraine, die Finanzspritzen von Ungarn in die Region Transkarpatien und der Einfluss Budapests in dieser Grenzregion, das Recht der ungarischen Gemeinden auf Autonomie und die konkrete Ausgestaltung dieser Autonomie, das Verwenden ungarischer Symbole in der Öffentlichkeit, die Schaffung eines "ungarischen Bezirks" in der Ukraine, die Repräsentation der ungarischen Minderheit in staatlichen Stellen...

 

 

Der Nationalismus läuft auf Hochtouren, eine tolerante, weltoffene Gesellschaft rückt in weite Ferne – alles beobachtet und geduldet vom Westen, so das Erleben an der Basis. Im Westen wohnen Menschen, die das beobachten und besorgt sind so wie ihre Verwandten, Freunde, Weggefährten in Ungarn, in der Ukraine, in den Grenzregionen. „Meine Verwandten wollen einfach weiterleben so wie bisher, es ging doch gut so“, sagt mein Bekannter mit ungarisch-ukrainischen Bindungen. Man baue auf den ungarischen Staatschef Orbán. Der träte für eine sachliche Autonomie der Ungarn in der Ukraine ein, es betrifft die doppelte Staatsbürgerschaft ebenso wie die Pflege der Muttersprache, der Kultur, der Persönlichkeiten, alles nicht im Alleingang, alles in Zusammenarbeit und Verbundenheit mit der Ukraine, in der Ukraine. Immerhin leben fast 150.000 Menschen ungarischer Abstammung in der Ukraine.

Mein Bekannter fasst es so zusammen: „Ungarn und die Ukraine sind an und für sich gute Nachbarn, es gibt viel Handel und Wandel. Ungarn ist sogar EU-Land und ziemlich westlich eingestellt, was ja den Regierenden in Kiew gut gefallen müsste. Aber was die so loslassen gegen die Landsleute, die etwas anders als sie selbst sind, das geht nicht. Auch dass die Ukrainer ihre Russen nicht einbinden und ihnen endlich die Hand reichen, versteht niemand bei meinen Leuten. Wir alle wollen Frieden und eine gute, freundschaftliche Nachbarschaft. Das geht, man muss es nur wollen.“

Derweil scheren sich die Entscheidungsträger in Kiew nicht um den Alltag der einfachen Leute, sie sind zu höheren Dingen auserkoren. Siehe Süddeutsche Zeitung:

Nun sorgt ein Dekret des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij für neuen Diskussionsstoff. Laut Kyiv Post will der Präsident ein Gesetz erarbeiten lassen, dass Bürgern mit doppelter Staatsbürgerschaft verbietet, kommunale oder staatliche Ämter zu besetzen, Mitglied in einer politischen Partei zu werden, politische Funktionen einzunehmen oder Zugang zu Staatsgeheimnissen zu haben. Auch die Teilnahme an Wahlen für Doppelpassbesitzer steht zur Disposition. Das Gesetz, so Kommentatoren in der Ukraine, zielt vornehmlich auf ukrainische Politiker mit russischen Pässen sowie auf die von Russland besetzte Krim und die Separatisten-Regionen im Donbass. Dort soll das Gesetz Gültigkeit erlangen, sobald Kiew "die Kontrolle über die Gebiete zurückgewonnen" habe, so das Dekret.

 

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/ungarn-ukraine-minderheit-1.5228517

 

Und der zur NATO gehörende Orban ahnt Flüchtlingsströme, also agiert er so:

 

Angesichts eines befürchteten Anstiegs von Flüchtlingen aus der Ukraine hat Ungarn eine Stärkung seines Grenzschutzes angekündigt.

 

Verteidigungsminister Tibor Benko gab am Dienstag die Verlegung von Soldaten an die ungarisch-ukrainische Grenze bekannt. Die Soldaten würden einerseits mit humanitären Aufgaben betraut und sollten andererseits sicherstellen, dass "keine bewaffneten Gruppen in das (ungarische) Staatsgebiet eindringen können", sagte er in der Stadt Szentendre.

Angaben zur Zahl der Soldaten, die in das Grenzgebiet entsandt werden sollen, macht Benko nicht. Die nationalistische Regierung von Ungarns rechtspopulistischem Ministerpräsidenten Viktor Orban ist für ihre restriktive Flüchtlingspolitik bekannt. Im Russland-Ukraine-Konflikt unterstützt Orban nach Angaben seines Sprechers den Kurs der Europäischen Union. In einem Telefongespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel habe Orban dies untermauert. Zugleich rief Orban am Dienstag das Kabinett für Nationale Sicherheit ein, um die aktuelle Lage zu beurteilen und nötige Entscheidungen zu treffen.

 

Quelle: https://www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/ungarn-verlegt-soldaten-an-grenze-zur-ukraine;art391,3585176

 

 

 

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