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In den letzten Monaten wurde in Österreich die Sozialpartnerschaft wiederholt als Zwangssystem bezeichnet; ihre Finanzierung erfolgt durch den Staat. Auch das entspricht einem neoliberalen Denken. Denn der Markt wird hier in Kontrast zu dem Staat gestellt. Die beliebte Scheinfrage lautet: Wollen Sie mehr Markt oder mehr Staat? Dabei wird im neoliberalen Glauben der Staat als Zwang gedacht; wer hingegen auf dem Markt agiert, macht dies immer freiwillig. Der Markt sei ein Hort der Freiheit. Gewerkschaften sind aber keine freiwilligen Zusammenschlüsse, sondern Organisationen, die gegen den Markt gerichtet sind.
 
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18/ 2022 - Kevin ohne zu Hause in Berlin

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 Keine freie Wohnung in Berlin für SPD-General Kühnert?

 

Man stelle sich das mal vor: da hat einer Geld wie Heu, arbeitet in der Hauptstadt als einflussreicher Mitstreiter, Strippenzieher, Denker, also als ein wichtiges, prägendes Mitglied des Zentrums der Macht (Bundestagsabgeordneter, Regierungspartei SPD und gar ein Chef dieser Partei) und beschwert sich in der Zeitschrift „Der Spiegel“ darüber, dass er seit einem Jahr (!) dennoch keine Wohnung in Berlin bekommt: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Es kann sein, dass sich der junge Politiker auch schon bei Parteigenossen und Regierungskollegen aufgeregt hat. Bei Kühnert scheint indes ein anderes Kalkül vorzuherrschen: Allein mit seinen Anmerkungen in den Medien schafft er Aufmerksamkeit für sich, ebenso mit vielen Klicks in den sozialen Medien und auf den Portalen im Internet – die andauernde Katastrophe „Wohnen in Berlin“ löst sich mit Kühnerts Einlassungen damit nicht. Es ist schlimmer: Kühnert beschwert sich über die Geister, die er und seine Kollegen selbst riefen und nicht gewillt sind einzufangen und zur Räson zu bringen. Eine Kritik von Frank Blenz

 

 

Wohnungsmarkt. Allein bei diesem Wortkonstrukt wird einem übel. Wohnen ist ein Recht. Sollte es sein, im Grundgesetz steht davon nichts, diese Schrift ist die Verfassung einer sozialen Marktwirtschaft, alles was marktfähig ist, das unterliegt den Mechanismen des Marktes. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn der Profipolitiker und Denker und Marktkenner Kevin Kühnert das Vokabular gut drauf hat, wenn er über wichtige Dinge spricht, die ihn hin und wieder auch mal betreffen – trotz einer großen Monatsdiät. So wird im „Spiegel“ in Sachen Wohnung berichtet:

 

 

Trotz guten Abgeordnetenlohns findet Kevin Kühnert keine neue Bleibe. In einem Podcast erklärt er, was die »Pest« des Berliner Wohnungsmarkts sei. Bezahlbare Wohnungen zu finden, wird in immer mehr deutschen Städten zum Problem. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erlebt das nach eigenen Aussagen seit Längerem selbst. … „Ich suche seit mittlerweile über einem Jahr nach einer Wohnung“, sagte Kühnert...

 

 

Nur gut, dass Kühnert zwar nach einem Jahr noch ohne Wohnung, aber doch zu den Glücklichen zählt (in einer Stadt, die seit zig Jahren von seiner SPD mitregiert und gestaltet wird), von deren Misere, die Not des Wohnens, er nicht betroffen ist, denn:

 

 

Er habe glücklicherweise nicht wie andere den Druck, aus seiner aktuellen Wohnung rauszumüssen, „aber es ist eine wenig freudvolle Beschäftigung“, so Kühnert. „Nun ist es als Bundestagsabgeordneter so, dass man nicht ganz schlecht verdient, können ja alle nachlesen, wie viel das ist, es scheitert also im Großen und Ganzen nicht am Geld. Es scheitert aber am Angebot.“ Bundestagsabgeordnete verdienen derzeit monatlich 10.012,89 Euro.

 

 

Kühnert fabulierte im Spiegel weiter, wo das Problem liegen könnte, keine Bleibe zu finden, geschweige den eine bezahlbare, wobei letzteres wäre ja kein Problem bei einer solchen Entschädigung für sein anstrengendes politisches Amt, nochmal: monatlich 10.012,89 Euro.

 

 

Die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt sieht Kühnert unter anderem bei „Umgehungsinstrumenten“. Vor allem greife das Prinzip des möblierten und teilmöblierten Vermietens um sich. „Das ist leider ein gängiges Umgehungsinstrument für Mietpreisbremse, Kappungsgrenze und andere Mietregularien geworden. Es ist eine wirkliche Unwucht und Pest auf unserem Wohnungsmarkt“, so Kühnert.

 

 

Mietpreisbremse? In Berlin gibt es diese nicht mehr, sie wurde als verfassungswidrig eingestuft. Der soziale Wohnungsbau, also das Schaffen von Wohnungen, in die Menschen einziehen können, die keine hohen Gehälter, Honorare oder Diäten oder gar kein Gehalt beziehen, diese Branche ist in der Hauptstadt eine immer noch nicht in Schwung geradene Disziplin. Dafür tobt sich die Renditegier aus, die Eigentümer holen sich von den Nutzern ihrer Wohnungen, ihrer Häuser, was es zu holen gibt. Wer nicht mithalten kann – ist draußen. Der Senat und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey aus den Reihen der SPD tut einiges dafür, dass des Volkes Wille, der des Volksbegehrens zur Enteignung eines großen Wohnungsplayers wohl nicht umgesetzt werden wird. Die juristischen Mühlen mahlen langsam. Dabei fing es ordentlich, ja demokratisch an. Die Berliner zeigten sich dem Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sehr interessiert. Ausreichend viele Stimmen kamen zusammen, sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus wahlberechtigten Berliner. Und so konnte der Volksentscheid starten, der am 26.9.2021 stattfand. Rund 59 Prozent der Wähler stimmten für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin. Die Geschichte wird Generalsekretär Kühnert sicher auch kennen. Allein interessiert ihn eher das „Problem mit den möblierten Wohnungen“.

 

Und auch das wird Kevin Kühnert, den auf das Wohl des Volkes vereidigten Bundestagsabgeordneten, nicht weiter stören: Jahr für Jahr werden hunderte Berliner Mieter mit Räumungsklagen konfrontiert, weil sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Tendenz steigend: Räumungen erfolgen meist gnadenlos, ebenso wie Stromabschaltungen.

Selbst die Springerpresse (B.Z., 3. März 2022) konstatierte vor ein paaer Wochen, allein ohne Ursachen und Wirkungen zu benennen, dass die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt dramatisch sei:

Die Preise kennen wieder nur eine Richtung: steil nach oben! Bei Angebotsmieten auf 10,55 Euro/m² (plus 41 Cent), bei Eigentumswohnungen auf 5416 Euro/m² (plus 9 Prozent).

 

Soziales Wohnen? Fehlanzeige!

Nur 7611 Wohnungen mit günstigen Mieten in Berlin gebaut

 

 

Berlin hat Platz für alle Menschen. Viel Platz. Eigentlich. Die Hauptstadt ist dazu noch eine sehr grüne Stadt und Berlin besitzt neben vielen Flächen und schon gebauten Quartieren viele repräsentative (mitunter leer stehende) Gebäude. Berlin verfügt ein großes, offenherziges Umland. Man kommt zu dem Schluss, dass es bei entsprechendem Willen möglich wäre, genug Wohnraum für alle zu schaffen. Geht man durch die Straßen und Kieze der Metropole, spürt man hingegen, dass Menschen zusammenrücken, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen Wohnungsfläche und Wohnungsnutzer gibt, einerseits viel zu große Einheiten für wenige, andererseits zu viele für zu wenig Platz. Die Privatwohnungsbaubranche jagt von Erfolg zu Erfolg, binnen weniger Monate werden von Tiergarten bis Mitte, von Charlottenburg bis Pankow moderne, kalte „Kästen“ mit hohen Fenstern und Tiefgaragen und allem pipapo hochgezogen, während der öffentliche Raum nach wie vor vernachlässigt wird. Vielmehr suchen mehr und mehr Menschen unter Brücken, in Parks und Anlagen Unterschlupf – die immer schon in der Hauptstadt beheimatete Obdachlosigkeit und Verwahrlosung ist gerade so heftig zu erleben wie seit zig Jahren nicht. Der Rot-Rot-Grüne Senat verspricht gegen zu steuern, die Sozialsenatorin Kipping will gar bis 2030 die Obdachlosigkeit beseitigen in Berlin. Angefangen hat sie damit noch nicht, so der Eindruck.

 

Derweil hoffen die Leser und Follower von Kevin Kühnert, dass Kevin demnächst schreibt: „Habe endlich ein chickes Appartement gefunden. Ist zwar nicht ganz billig, aber zum Glück...“

 

ohne Worte...

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